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Susann Stein

Politik und Kommunikation/ Pressesprecherin
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Stellungnahme zum Sächsischen Doppelhaushalt 2021/2022

Vorbemerkung

Der Bauindustrieverband Ost e. V. (BIVO) würdigt die Anstrengungen der Staatsregierung, auch in den schwierigen Zeiten der Corona-Pandemie einen ambitionierten Doppelhaushalt aufzustellen. Diese hat zu sinkenden Steuereinnahmen bei gleichzeitig steigenden konsumtiven Ausgaben geführt.

Obwohl es fatal wäre, sich in der derzeitigen Situation in eine Krise hinein zu sparen, werden sich im vorliegendem Entwurf des Doppelhaushalts Bauinvestitionen und sonstige Sachinvestitionen spürbar unterdurchschnittlich entwickeln. Schon im Jahr 2020 sank der Anteil der Bauinvestitionen an den Gesamtinvestitionen auf etwa ein Drittel, ein bemerkenswerter Rückgang angesichts eines langjährigen Mittels von etwa 50 Prozent.

Wachstum durch Bauinvestitionen

Die Bauwirtschaft gehört zu den wichtigsten wirtschaftlichen Pfeilern im Freistaat Sachsen. Dies wurde auch während der Corona-Pandemie deutlich, als die Bauunternehmen ganz wesentlich zur Wertschöpfung beigetragen und die deutsche Volkswirtschaft gestützt haben. Der Bausektor gehört außerdem zu den größten Arbeitgebern Sachsens. Allein im sächsischen Bauhauptgewerbe sind über 50.000 Menschen beschäftigt. Bauinvestitionen spielen außerdem für das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft eine außerordentlich große Rolle. Über sog. Multiplikatoreffekte initiiert eine Bauinvestition in Höhe von einer Mio. Euro eine gesamtwirtschaftliche Produktion in Höhe von 2,51 Mio. Euro.

Ungesundes Verhältnis zwischen Konsumtion und Investition

Die Konsumtion hat in den letzten zehn Jahren in Sachsen deutlich zu Lasten der Investition zugenommen. Die getätigten Ausgabensteigerungen dienten zu zwei Dritteln ausschließlich konsumtiven Zwecken. Hauptfaktoren der starken Konsumtion sind neben den gesetzlichen Verpflichtungen die Personalkosten der Öffentlichen Hand sowie der laufende Sachaufwand.  Vor allem die Personalkosten stiegen in der vergangenen Dekade erheblich an und bestimmen auch den vorliegenden Entwurf zu knapp einem Viertel.

Für Zukunftsaufgaben nicht gewappnet

Unabhängig von den Auswirkungen der Corona-Pandemie steht der Freistaat Sachsen vor großen Zukunftsaufgaben. Die digitale Transformation erfordert einen entschiedeneren und schnelleren Breitbandausbau. Die Geburtenzuwächse der vergangenen Jahre müssen zu weiteren großen Anstrengungen beim Um- und Neubau der Schul- und Kitagebäude führen. Schließlich gilt es, weiterhin in das sächsische Straßennetz zu investieren. Der Bedarf ist sowohl im kommunalen Straßenbau als auch im Staatsstraßennetz weiterhin hoch. Wenn der Freistaat jetzt nicht die nötigen Zukunftsinvestitionen tätigen kann, werden die Folgekosten ungleich höher sein: Heute könnte man durch die reine Kofinanzierung bestehender Bundesprogramme beispielsweise zum Breitbandausbau Zukunftsinvestitionen anschieben. Lässt der Freistaat Zeit verstreichen, leidet die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts und die Investitionskosten sind bei Auslaufen der Bundesprogramme eklatant höher.  

Während der Freistaat im Bereich der Strukturförderung mit dem Sondervermögen “Strukturentwicklungsfonds sächsische Braunkohleregionen“ (EP 10, Kapitel 10 04) einen richtigen Weg einschlägt, werden im Bereich der Verkehrsinfrastruktur erhebliche Defizite deutlich, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Kommunaler Straßenbau

Vor dem Hintergrund des stetig wachsenden kommunalen Investitionsstaus in allen Bereichen der Infrastruktur müsste hier der Freistaat entschieden handeln und die Kommunen in ihren Investitionsaufgaben unterstützen. Stattdessen werden im vorliegenden Entwurf des Doppelhaushaltes gerade bei der Förderung des kommunalen Straßen- und Brückenbaus (EP 7, 883 15) massive Kürzungen vorgenommen. Schon der Bewilligungsstopp im Frühjahr 2020 stellte sowohl die Kommunen als auch die Bauunternehmen vor große Probleme. Der gegenwärtige große Nachfrageeinbruch im Straßenbau von 20 Prozent zum Vorjahr zeigt bereits, wohin diese Entwicklung führen wird.

Die ausbleibenden Bewilligungen dringend erforderlicher Investitionsmaßnahmen im Straßen- und Brückenbau während der zurückliegenden Haushaltsperiode 2019/20 haben den Zustand der ohnehin schon stark sanierungsbedürftigen Verkehrsinfrastruktur weiter verschlechtern lassen.

Ausbleibende Investitionen führen nicht nur zu einem exponentiellen Verschleiß am Bestand, verbunden mit einem auf lange Sicht volkwirtschaftlichen Mehraufwand, sondern verhindern zudem die wirtschaftliche Entwicklung durch ausbleibende, jedoch dringend erforderliche Ausbaumaßnahmen. Gerade im ländlichen Raum ist die Schaffung der essenziellen Rahmenbedingungen für eine leistungsstarke Verkehrsanbindung an Gewerbe- und Industriegebiete ausschlaggebend für potenzielle Investoren.

Trotz der Warnungen der Kommunen und Unternehmen wird auch im Entwurf des Doppelhaushaltes 2021/22 der Förderung des kommunalen Straßenbaus keine Priorität eingeräumt.

Für die Jahre 2021 und 2022 werden rd. 74,5 Mio. Euro und rd. 67 Mio. Euro (EP 7, Titel 88315 + 88317) eingestellt. Unter Abzug bestehender Verpflichtungsermächtigungen bleiben in beiden Haushaltsjahren lediglich 32,5 Mio. Euro für Neubeginne. Allein zur Erhaltung der kommunalen Infrastruktur müssten jährlich mindestens 150 Mio. Euro investiert werden. Dringend erforderliche Verbesserungen sowie Erweiterungen des Straßennetzes sind hierbei noch nicht berücksichtigt. Konkret bedeutet dies, dass die kommenden beiden Jahre für den kommunalen Straßenbau verlorene Jahre sein werden. Dies ist sowohl für die sächsischen Kommunen als auch für die Bauunternehmen eine Hiobsbotschaft.

Die Kommunen gehören zu den wichtigsten Auftraggebern der regionalen Straßenbauunternehmen. Werden die Aktivitäten im kommunalen Straßenbau aufgrund der desaströsen Mittelbereitstellung weitestgehend eingestellt, würde dies auch zu personellen Verwerfungen in den Unternehmen führen. Die unter massiver Anstrengung aufgebauten personellen Kapazitäten würden so für die sächsische Bauwirtschaft verloren gehen und damit auch in künftigen, wirtschaftlich besseren Zeiten nicht zu Verfügung stehen. Kapazitätsengpässe für die Realisierung der dann mehr als überfälligen Investitionen wären die Folge.

Um den dringenden Bedarf im kommunalen Straßen- und Brückenbau zu decken, fordert der Bauindustrieverband Ost daher eine Ausstattung des Haushaltstitels mit mindestens 150 Mio. Euro pro Jahr.

Staatsstraßenbau

Die Bauindustrie Ost unterstützt die Prämisse, dass der Zustand der Staatsstraßen nachhaltig verbessert und gesichert werden muss, um das Anlagevermögen der Straßeninfrastruktur zu erhalten. Allerdings darf auch der Ausbau bei dieser Betrachtung nicht außen vor gelassen werden. Es ist unbestritten, dass in den vergangenen Jahren bereits in großem Umfang in die Straßeninfrastruktur investiert wurde. In der „Ausbau- und Erhaltungsstrategie Staatsstraßen 2030“ (Stand 2018) des SMWA wurde jedoch auch festgestellt, dass bei knapp einem Drittel der Staatsstraßen der Netzklasse S1 sowie knapp einem Viertel der Staatsstraßen der Netzklasse S2 noch Ausbaubedarf bestehe und ein Finanzierungsbedarf von 478,5 Mio. Euro (S1) sowie 854,1 Mio. Euro (S2) festgestellt.

Für den Staatsstraßenbau werden rd. 75 Mio. Euro (2021) sowie rd. 68 Mio. Euro (2022) eingestellt. In den vergangenen Jahren wurde dieser Titel mit rund 100 Mio. Euro ausgestattet. Der Verband fordert, den Titel mindestens auf dem Niveau der Vorjahre in Höhe von 100 Mio. Euro pro Haushaltsjahr auszustatten.

Erhaltung

Der Zustand des sächsischen Straßennetzes sowie der Ingenieurbauwerke ist nach wie vor bedenklich. Daher muss vor allem der Erhaltung der Straßen und Brücken eine große Bedeutung zukommen. Laut „Ausbau-und Erhaltungsstrategie Staatsstraßen 2030“ liegt der Erhaltungsbedarf mit Stand 2019 bei mindestens 40 Mio. Euro (Status Quo: ohne jegliche Zustandsverbesserung) für die Straße und für die Ingenieurbauwerke im sächsischen Staatsstraßennetz bei rund 14 Mio. Euro. Die Dynamisierung liegt bei jährlich 3 Prozent. Bei einer Verbesserung des baulichen Zustands der Staatsstraßeninfrastruktur werden demnach mindestens 66,5 Mio. Euro pro Jahr benötigt. Ungeachtet dessen werden im vorliegenden Entwurf die Ansätze der Erhaltung (EP 7, Titel 783 75 + 786 75) massiv gekürzt.

Wurden 2020 noch 41 Mio. Euro bei der Straße und 16,5 Mio. Euro bei Ingenieurbauwerken veranschlagt, so sind es jetzt nur noch 31 Mio. Euro bei der Straße und 9,5 Mio. Euro bei den Ingenieurbauwerken. Hinzu kommt, dass für Um- und Ausbaumaßnahmen die in der Ausbau- und Erhaltungsstrategie festgelegte Quote von 23 Mio. Euro ebenfalls erheblich gekürzt wurde. Laut vorliegendem Haushaltsentwurf werden dafür nur noch 7,5 Mio. Euro bereitgestellt.

Dies wird dazu führen, dass der Straßenzustand gemäß Zustandserfassung- und Bewertung 2017, wo bereits rd.45 Prozent des Netzes (entspricht ca. 2.000 km) in der schlechtesten Zustandsnote waren, sich weiter verschlechtern wird.

Planungsmittel

Für die Planung von Bundesstraßen (EP 7, Titelgruppe 72) und Staatsstraßen (EP 7, Titelgruppe 73) stehen im Vergleich zu den Ausgaben 2019 wiederum erheblich weniger Mittel zur Verfügung: In der Titelgruppe 72 wurden Kürzungen von rd. 22 Mio. Euro auf 16 Mio. Euro und in der Titelgruppe 73 von rd. 20 Mio. Euro auf 14 Mio. Euro vorgenommen. Dies wird dazu führen, dass zur Abdeckung der notwendigen Planungsmittel Baumittel aus der Titelgruppe 75 umgeschichtet werden müssen und somit noch weniger Mittel für den Bau bereitgestellt werden können.

In der Vergangenheit konnten kurzfristig bereitgestellte Bundesmittel für Infrastrukturprojekte nicht abgerufen werden, da sowohl auf Ebene des Freistaates als auch bei den Kommunen kein Planungsvorlauf herrschte und nicht rechtzeitig Projekte eingereicht werden konnten. Auch mit Blick auf Building Information Modeling (BIM) wird der Planung eine noch viel höhere Bedeutung zukommen, was zu höheren Kosten führen wird. Die Ansätze für Planungsmittel spiegelt dies nicht wider und müssen daher deutlich erhöht werden.

Investitionsfonds

Trotz der zur Bewältigung der Corona-Krise erfolgten Neuverschuldung hat Sachsen weiterhin den geringsten pro Kopf-Schuldenstand im Bundesländervergleich. Die solide Finanzpolitik des Freistaates in der Vergangenheit macht sich hierbei bezahlt. Der Verband hat sich immer ausdrücklich zur restriktiven Haushaltspolitik des Freistaates und zur Einführung der Schuldenbremse bekannt.

Um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben, ist es jedoch unerlässlich, weiterhin auf einem hohen Niveau in die Zukunft zu investieren. Der fortschreitende Breitbandausbau sowie die Werterhaltung der Verkehrsinfrastruktur und Schaffung von Bildungsinfrastruktur sind Aufgaben, die jetzt und nicht nach einer haushalterischen Konsolidierung in mehreren Jahren angegangen werden müssen.

Da der derzeitige Entwurf des Doppelhaushaltes 2021/22 die wichtigen Investitionen für die Zukunft des Freistaates nicht abdecken kann, unterstützt der Verband in dieser absoluten Ausnahmesituation die Überlegungen zur Einrichtung eines kreditfinanzierten Investitionsfonds, der zweckgebunden unter sehr eng gefassten Bedingungen und zeitlich stark begrenzt die nötigen Zukunftsinvestitionen ermöglichen sollte. Dieser könnte zu derzeit günstigen Kreditbedingungen gebildet werden, bevor der Investitionsstau weiter ansteigt und in mehreren Jahren zu schlechteren Finanzierungskonditionen zwangsläufig investiert werden muss.

Angesichts der Haushaltsentwicklung sollte man sich darüber hinaus im Freistaat auch einer Debatte über private Finanzierungsmodelle durch Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) nicht länger verschließen.

Fazit

Die Infrastrukturen sind die Lebensadern des Wirtschaftsstandortes Sachsen. Vor allem jenseits der Ballungszentren besteht im Freistaat noch immer ein hoher Bedarf im Ausbau und der Erhaltung der Verkehrswege und Ingenieurbauwerke. Den Ankündigungen im Koalitionsvertrag, weiterhin auf einem hohen Niveau in Sachsens Zukunft zu investieren und den Sanierungsstau in ländlichen Regionen abzubauen, wird der vorliegende Entwurf des Doppelhaushaltes nicht gerecht. Wenn der Freistaat jetzt nicht die nötigen Zukunftsinvestitionen tätigen kann, werden die Folgekosten ungleich höher sein.

Die Bauwirtschaft steht der Staatsregierung und den kommunalen Gebietskörperschaften als ausführender Partner zur Seite und hat in den vergangenen Jahren Kapazitäten zur Bauausführung aufgebaut. Mit einem Ausbleiben von Investitionen sind diese nicht zu halten und auch für künftige wirtschaftlich starke Zeiten nicht vorhanden. Daher macht der Verband deutlich, dass Investitionen immer auch zur Wirtschaftsförderung beitragen. Generell muss sich die Haushaltspolitik künftig wieder sehr viel stärker in Richtung Standortstärkung und -entwicklung orientieren. Nur Wirtschaftswachstum lässt die Einnahmen des Staates aus Steuern und Abgaben in absehbarer Zeit wieder steigen und wird somit einen wesentlichen Beitrag zur Konsolidierung leisten.


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