BIM – Bauinformationsmodelle oder Building Information Modelling

Gastbeitrag von Prof. Henning Rambow, Professur für Computergestütztes Entwerfen und Architektur an der HTWK Leipzig

Bereits Ende 1985 hatte Prof. Bryan Lawson an der Sheffield Universität mit seinem Team ein CAD-System entwickelt, mit dem man dreidimensionale Objekte entwerfen und im Rechner mit Modellen statt mit 2D-Abstraktionen arbeiten konnte. Seine Überzeugung war: Wenn sämtliche 3D-Daten im Rechner seien UND der Rechner eine Wand von einer Decke unterscheiden könne, dann könne er auch Massen, Flächen und Volumen berechnen. Und nach Abschluss der Bauarbeiten könne ein digitales Modell übergeben werden. Was Bryan damals beschrieb, war im Kern das, was man heute BIM-System nennt.

Die Software aus Sheffield, die damals schon viel von heutigen BIM-Konzepten leistete, verschwand wie viele andere leider relativ schnell vom Markt. Dennoch gibt es seit dieser Zeit Software, mit der man als Planer dreidimensional konstruieren kann.

Fünfzehn Jahre später konnte Navisworks eine Software große Modelle verschiedenen Ursprungs effizient zusammenfügen, um z. B. Kollisionsüberprüfungen durchzuführen. Das Interesse in der deutschen Bauindustrie an diesem Produkt war damals begrenzt. Man war vielfach der Meinung, dass das Erstellen dreidimensionaler Modelle einen Aufwand darstelle, der sich im Projektverlauf nicht amortisieren würde.

Erste Abnehmer kamen aus der Chemieindustrie sowie der Gerüst- und Schalungsindustrie, also da, wo Modelle räumlich extrem komplex werden. Inzwischen ist Navisworks längst von Autodesk, einem der weltweit größten Software-Konzerne übernommen worden und bildet ein Schlüsselelement in deren Produktportfolio und BIM-Strategie.

Seit ca. 2003 wird von ebendiesem Software-Konzern der BIM Begriff propagiert. Seitdem wird eifrig diskutiert, was BIM denn eigentlich sei. Es gibt verschiedene BIM Reifegrade, Little BIM, BIG BIM, BIM BAM BOOM und die nächsten Begriffe sind sicher schon in Entwicklung.

Bryans Konzept von 1985 entsprach im Wesentlichen dem „Little BIM“ oder dem Reifegrad Eins: Das 3D-Modell wird in einem Büro entwickelt und genutzt. Daten für die Planungspartner werden in 2D (DWG/DXF) oder in Form von Bildern übergeben. Planer und Bauindustrie entwickeln daraus ggf. ihre eigenen Modelle. Das kann dann bis zur Ansteuerung von CNC-Maschinen gehen. Aber es gibt keinen durchgehenden Datenfluss und viel von der mit den Bauelementen verbundenen Informationen geht verloren.

Schon dieses „Little BIM“ bietet große Einsparpotentiale für den Nutzer. Aus dem 3D-Gebäudemodell können halbautomatisch nicht nur Grundrisse, Schnitte und Ansichten in verschiedenen Maßstäben und mit unterschiedlichen Inhalten generiert werden, sondern auch Listen und Massenermittlungen. Durch die richtigen Verknüpfungen werden diese Pläne bei jeder Änderung des Modells auf dem neuesten Stand gehalten.

Aus dieser Arbeitsweise ergibt sich jedoch auch eine doppelte Belastung für den Nutzer: Zuerst muss das Modell erstellt und aktuell gehalten werden. Dann müssen aber auch die vielen Ausgabepläne in unterschiedlichen Maßstäben und mit verschieden gefilterten Inhalten unterhalten und ständig überprüft werden. Die graphischen Elemente, also die Bestandteile des Modells und der Pläne, die nicht gebaut werden sollen (Maßketten, Texte, erläuternde Schraffuren) können zwar auch mit Bauteilen verknüpft werden, aber wenn neue Elemente im Modell erstellt werden, werden diese z.B nicht automatisch vermaßt. Alle Daten müssen überprüft werden. Der Aufwand, diese Planrepräsentationen zu unterhalten ist vielfach genauso hoch, wie der Unterhalt des Modells an sich.

Solange nicht alle Planer mit dem Modell arbeiten und der Polier auf der Baustelle dieses Modell auf dem Tablet hat, wird sich diese Doppelbelastung jedoch nicht vermeiden lassen.

Ziel bei der Einführung der BIM-Methode ist aber die durchgängige Nutzung der BIM-Daten durch alle Planungspartner, bzw. im Reifegrad Drei, dem sogenannten iBIM, die Zusammenarbeit an einem Modell, auf das durch alle Beteiligten zugegriffen wird.

Die deutsche Bauindustrie ist jedoch gekennzeichnet durch die ständig wechselnde Zusammenarbeit von Planern und Firmen. Bei jedem Projekt müssen die Kommunikationskanäle neu entwickelt, getestet und optimiert werden. Jeder Beteiligte benutzt andere Software oder die gleiche Software anders. Parallel dazu ist der Softwaremarkt ständig in Bewegung. Was gestern noch die beste Lösung für eine bestimmte Anwendung war, ist vielleicht morgen schon von einem Neuankömmling überholt. In diesem Szenario eindeutige Einsparpotenziale durch eine Firmenübergreifende Nutzung von BIM zu identifizieren, ist wesentlich schwieriger als beim Einsatz im leichter kontrollierbaren eigenen Firmenumfeld.

Ein schon von Bryan identifiziertes Potential bei der Erstellung eines kompletten drei-, oder mehrdimensionalen Gebäudemodells war die Weitergabe an den Bauherren. Das Ideal einer Gebäudedatenbank, die alles enthält, was es über das Gebäude zu wissen gibt, ist ein sehr überzeugendes Bild. Es setzt aber einen Nutzer voraus, der dieses Potential nutzen kann. Aber soll der Facility Manager in Zukunft mit einer komplexen 3D-Software umgehen können? Wenn nicht: wer strukturiert die Daten so, dass man mit einfachen Werkzeugen auf das, was man wirklich braucht, zugreifen kann?

Gibt es ein Verfahren, das gewährleistet, dass Veränderungen am Gebäude während seiner Nutzung in das BIM Modell eingearbeitet werden? Ein Modell, das den aktuellen Stand des Gebäudes nur zu 95 Prozent widerspiegelt, wird schnell zu mehr Problemen als Nutzen führen. Wer nach dem Wartungsvertrag für ein Einbauteil sucht und ein veraltetes Dokument findet, wird das nächste Mal am BIM-Modell vorbei agieren.

Der Druck, die BIM-Methode zu benutzen wird von den Generalplanern oder Generalunternehmern, also von den großen Akteuren kommen, die durchgehende Datenstrukturen unter ihrer Ägide implementieren können. Oder von den Bauherren. Die müssen allerdings wissen, wie sie die Potenziale eines hochkomplexen Modells nutzen können und welche Anforderungen sie an die von den Planern und Ausführenden gelieferten Daten stellen müssen. Und dann wird man zusätzliche Anforderungen auch bezahlen müssen.

Seit der Einführung von CAD in deutschen Planungsbüros in den 90er Jahren, haben Studierende und Absolventen der HTWK Leipzig die Rolle von sogenannten „Champions“ bei der Einführung neuer Technologien in der Bauindustrie übernommen. Seit der Jahrtausendwende hat die Mehrzahl der Absolventen des Studienganges Architektur ihre Entwürfe am Rechner und am digitalen Modell bearbeitet. Wer diese Methode in seinem Büro implementieren wollte, tat gut daran, sich die Dienste unserer besten Absolventen zu sichern.

Will man mit der BIM-Methode interdisziplinär zusammenarbeiten, muss man verstehen, wie der Partner arbeitet. Welche Daten braucht der Tragwerksplaner und welche braucht er nicht? Wie kann der Architekt die entsprechenden Daten aus seinem Modell herausfiltern und zur Verfügung stellen. Wie kommt der Durchbruch des HLS_Planers in die Decke im Architekturmodell und dann in den Schalplan des Tragwerksplaners? Wie kann ich mit der Baufirma am Modell Bauabläufe, Transportwege und Lagerflächen überprüfen bevor es auf der Baustelle eng wird?

Studierende der HTWK aus drei Fakultäten arbeiten seit fünf Jahren in Seminaren zusammen, um dies beim Bau komplexer BIM-Modelle zu üben. In engem Kontakt mit Softwarefirmen werden ständig neue Produkte in diese Abläufe integriert. Die Kommunikation zwischen Studierenden der Architektur, der Gebäudetechnik und des Bauwesens führt in diesen Seminaren immer wieder zu Aha-Erlebnissen und einem besseren Verständnis der Partner im Planungsprozess.

In Zukunft wird dieser Prozess durch die räumliche Projektion virtueller Gebäude und Räume in einer „Cave“ unterstützt werden, die die HTWK aus Investitionsmitteln für Angewandte Digitalisierung/BIM des Freistaates angeschafft hat. Jetzt geht BIM an der HTWK Leipzig in die nächste aufregende Phase und wird für alle Beteiligten sichtbarer und erfahrbarer.

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